Projektvertrag

Scheinselbständigkeit bei Projektvertrag?

Viele Freiberufler, die gegen ein gutes Honorar über einen Projektvertrag bei einem Auftraggeber oder Endkunden arbeiten, möchten selbständig bleiben. Andere in Projektarbeit tätige Selbständige fühlen sich scheinselbständig und wollen lieber im Arbeitsverhältnis für ihren bisherigen Auftraggeber weiterarbeiten. Die Auftraggeber möchten am liebsten einen Selbständigen mit „DRV-Befreiung“ einsetzen, bei dem kein Risiko besteht, Sozialversicherungsbeiträge zahlen oder gar nachzahlen zu müssen. Das Risiko einer Scheinselbständigkeit wird dabei sowohl von den Freelancern als auch den Auftraggebern oder Providern unterschätzt. Immer wieder hört man Rechtsirrtümer wie „Mehrere Auftraggeber schützen vor Scheinselbständigkeit“ oder „Bei Einsatz über einen Vermittler kann keine Scheinselbständigkeit vorliegen. Beides trifft nicht zu (siehe dazu 13 Rechtsirrtümer über Scheinselbständigkeit). Steuerberater des Selbständigen oder des Auftraggeber warnen nicht oder geben sogar beruhigende, aber oft falsche Entwarnung.

Scheinselbständigkeit bei Projektarbeit aufgrund Projektvertrag und /oder Rahmenvertrag

Die meisten Freiberufler und andere Selbständige werden auf das Basis eines Projektvertrages beschäftigt, in den meisten Fällen über einen Vermittler (Provider). Das Risiko einer scheinselbständigen Beschäftigung ist hoch, wenn

  • der Einsatz in Vollzeit (mehr als sechs Stunden täglich) erfolgt
  • Präsenz beim Endkunden erforderlich ist
  • ein Stundensatz oder Tagessatz vereinbart ist
  • die betriebliche Infrastruktur beim Endkunden genutzt werden muß
  • eine enge Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern des Endkunden in Teams erfolgt.

Nach Ansicht des Autors sind dies zwar überwiegend irrelevante Gesichtspunkte (für das Bundesarbeitsgericht und den Bundesgerichtshof auch), nicht aber für die Sozialgerichte. Diese legen den Dienstvertrag nämlich eigenwillig aus und grenzen fachbezogene, auch im Dienstvertrag zulässige und übliche Weisungen nicht korrekt vom arbeitsvertraglichen Weisungsrecht nach der Gewerbeordnung ab. Vertragliche Festlegungen eines Leistungsortes und der Leistungszeit, auch und gerade wegen der Notwendigkeit der Integration der selbständigen Dienstleistung in betriebliche Abläufe, sind beim Dienstvertrag, aber auch beim Werkvertrag nicht nur zulässig, sondern typisch. Bauunternehmer müssen die Leistung an der Baustelle erbringen und müssen sich in die Zusammenarbeit mit den anderen Gewerken einbinden lassen, auch zeitlich. Anwälte als Dienstnehmer müssen Fristen beachten und können ihre Leistung oft auch nicht an einem selbstgewählten Ort erbringen, sondern beim Mandanten oder beim Gericht. Zeitliche Vorgaben, die vertraglich vereinbart sind, sind daher nicht typisch für den Arbeitsvertrag, sondern für jede bezahlte Leistung. Weisungsrechte stehen nach der Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof auch dem Werkbesteller und dem Auftraggeber gegenüber dem Dienstnehmer zu.

Um Risiken aus der selbständigen Beschäftigung zu vermeiden, ist die sozialgerichtliche Rechtsprechung aber soweit wie irgendmöglich zu beachten. Dazu ist eine profunde Kenntnis notwendig, die jedenfalls Steuerberater – so hat es das Bundessozialgericht erst kürzlich ausführlich festgestellt – nicht haben. Wie beim Arzt sollte auch nur ein Anwalt aufgesucht werden, der sich spezialisiert hat. Sie gehen mit Bauchschmerzen ja auch nicht zum Zahnarzt.

Achtung Befristung!

Selbständige, die lieber in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis wechseln wollen, versäumen oft wichtige Fristen. Da die meisten Projektverträge befristet sind, verlieren Selbständige, die scheinselbständig in Projektarbeit beschäftigt werden, ihre Rechte aus einem wahrscheinlich bestehenden Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von drei Wochen nach Auslaufen des befristeten Projektvertrages ihre Rechte klageweise geltend machen. Nach dem Teilzeitbefristungsgesetz muss nämlich gegen eine Befristung binnen drei Wochen Befristungskontrollklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden, danach gibt es keine Möglichkeit mehr, die Weiterbeschäftigung einzufordern. Auch bei einer Kündigung des Projektvertrages oder Rahmenvertrages muss binnen drei Wochen nach Kündigung Klage erhoben werden, andernfalls beendet die Kündigung das möglicherweise bestehende Arbeitsverhältnis. Beide Fristen sollten daher von Selbständigen berücksichtigt werden.

Vorsicht Aufhebungsvertrag!

Nicht nur die Telekom, auch andere Unternehmen versuchen das Risiko aus einer möglichweise scheinselbständigen, d.h. sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch einen Aufhebungsvertrag oder Auflösungsvertrag mit dem Selbständigen verringern. Vor der Unterzeichnung sollte daher eine Rechtsberatung durch einen spezialisierten Anwalt eingeholt werden. Auch für den Selbständigen / Freiberufler kann ein Aufhebungsvertrag Sinn machen. Die Erfahrung lehrt, dass sich selbst anwaltlich beratene Auftraggeber mit bestimmten Regelungen in einem solchen Aufhebungvertrag schaden, ohne dies zu erkennen. Die Erfahrung zeigt ausserdem, dass durchaus Verhandlungsspielraum bei einem Aufhebungsvertrag besteht.

Vorteil und Nachteil des Statusfeststellungsverfahrens

Auftraggeber gehen aus Angst immer mehr dazu über, die Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens zu verlangen. Tatsächlich kann ein Statusfeststellungsverfahren Sinn machen, aber nur wenn es rechtzeitig eingeleitet und sorgfältig vorbereitet wird. Das Risiko der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung, also Scheinselbständigkeit, ist hoch. Die DRV hat in einem Fall aus der Praxis selbst dann eine abhängige Beschäftigung eines Ingenieurs festgestellt, der bei einem großen Automobilhersteller gegen ein erfolgsabhängiges Honorar, ohne Präsenzpflicht und unter Einsatz einer eigenen komplexen Software Optimierungsvorschläge für die Produktion erarbeitet hat.

Für Selbständige, die sich scheinselbständig fühlen und ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis erreichen wollen, ist das Statusfeststellungsverfahren dagegen eine kostengünstige Möglichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel einer sozialversicherten Beschäftigung erreicht wird.

 
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl / Köln / Berlin

Interviews mit dem Autor
zum Thema Scheinselbständigkeit

Viele Freiberufler, die gegen ein gutes Honorar über einen Projektvertrag bei einem Auftraggeber oder Endkunden arbeiten, möchten selbständig bleiben. Andere in Projektarbeit tätige Selbständige fühlen sich scheinselbständig und wollen lieber im Arbeitsverhältnis für ihren bisherigen Auftraggeber weiterarbeiten. Die Auftraggeber möchten am liebsten einen Selbständigen mit „DRV-Befreiung“ einsetzen, bei dem kein Risiko besteht, Sozialversicherungsbeiträge zahlen oder gar nachzahlen zu müssen. Das Risiko einer Scheinselbständigkeit wird dabei sowohl von den Freelancern als auch den Auftraggebern oder Providern unterschätzt. Immer wieder hört man Rechtsirrtümer wie „Mehrere Auftraggeber schützen vor Scheinselbständigkeit“ oder „Bei Einsatz über einen Vermittler kann keine Scheinselbständigkeit vorliegen. Beides trifft nicht zu (siehe dazu 13 Rechtsirrtümer über Scheinselbständigkeit). Steuerberater des Selbständigen oder des Auftraggeber warnen nicht oder geben sogar beruhigende, aber oft falsche Entwarnung.

Scheinselbständigkeit bei Projektarbeit aufgrund Projektvertrag und /oder Rahmenvertrag

Die meisten Freiberufler und andere Selbständige werden auf das Basis eines Projektvertrages beschäftigt, in den meisten Fällen über einen Vermittler (Provider). Das Risiko einer scheinselbständigen Beschäftigung ist hoch, wenn

  • der Einsatz in Vollzeit (mehr als sechs Stunden täglich) erfolgt
  • Präsenz beim Endkunden erforderlich ist
  • ein Stundensatz oder Tagessatz vereinbart ist
  • die betriebliche Infrastruktur beim Endkunden genutzt werden muß
  • eine enge Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern des Endkunden in Teams erfolgt.

Nach Ansicht des Autors sind dies zwar überwiegend irrelevante Gesichtspunkte (für das Bundesarbeitsgericht und den Bundesgerichtshof auch), nicht aber für die Sozialgerichte. Diese legen den Dienstvertrag nämlich eigenwillig aus und grenzen fachbezogene, auch im Dienstvertrag zulässige und übliche Weisungen nicht korrekt vom arbeitsvertraglichen Weisungsrecht nach der Gewerbeordnung ab. Vertragliche Festlegungen eines Leistungsortes und der Leistungszeit, auch und gerade wegen der Notwendigkeit der Integration der selbständigen Dienstleistung in betriebliche Abläufe, sind beim Dienstvertrag, aber auch beim Werkvertrag nicht nur zulässig, sondern typisch. Bauunternehmer müssen die Leistung an der Baustelle erbringen und müssen sich in die Zusammenarbeit mit den anderen Gewerken einbinden lassen, auch zeitlich. Anwälte als Dienstnehmer müssen Fristen beachten und können ihre Leistung oft auch nicht an einem selbstgewählten Ort erbringen, sondern beim Mandanten oder beim Gericht. Zeitliche Vorgaben, die vertraglich vereinbart sind, sind daher nicht typisch für den Arbeitsvertrag, sondern für jede bezahlte Leistung. Weisungsrechte stehen nach der Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof auch dem Werkbesteller und dem Auftraggeber gegenüber dem Dienstnehmer zu.

Um Risiken aus der selbständigen Beschäftigung zu vermeiden, ist die sozialgerichtliche Rechtsprechung aber soweit wie irgendmöglich zu beachten. Dazu ist eine profunde Kenntnis notwendig, die jedenfalls Steuerberater – so hat es das Bundessozialgericht erst kürzlich ausführlich festgestellt – nicht haben. Wie beim Arzt sollte auch nur ein Anwalt aufgesucht werden, der sich spezialisiert hat. Sie gehen mit Bauchschmerzen ja auch nicht zum Zahnarzt.

Achtung Befristung!

Selbständige, die lieber in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis wechseln wollen, versäumen oft wichtige Fristen. Da die meisten Projektverträge befristet sind, verlieren Selbständige, die scheinselbständig in Projektarbeit beschäftigt werden, ihre Rechte aus einem wahrscheinlich bestehenden Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von drei Wochen nach Auslaufen des befristeten Projektvertrages ihre Rechte klageweise geltend machen. Nach dem Teilzeitbefristungsgesetz muss nämlich gegen eine Befristung binnen drei Wochen Befristungskontrollklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden, danach gibt es keine Möglichkeit mehr, die Weiterbeschäftigung einzufordern. Auch bei einer Kündigung des Projektvertrages oder Rahmenvertrages muss binnen drei Wochen nach Kündigung Klage erhoben werden, andernfalls beendet die Kündigung das möglicherweise bestehende Arbeitsverhältnis. Beide Fristen sollten daher von Selbständigen berücksichtigt werden.

Vorsicht Aufhebungsvertrag!

Nicht nur die Telekom, auch andere Unternehmen versuchen das Risiko aus einer möglichweise scheinselbständigen, d.h. sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch einen Aufhebungsvertrag oder Auflösungsvertrag mit dem Selbständigen verringern. Vor der Unterzeichnung sollte daher eine Rechtsberatung durch einen spezialisierten Anwalt eingeholt werden. Auch für den Selbständigen / Freiberufler kann ein Aufhebungsvertrag Sinn machen. Die Erfahrung lehrt, dass sich selbst anwaltlich beratene Auftraggeber mit bestimmten Regelungen in einem solchen Aufhebungvertrag schaden, ohne dies zu erkennen. Die Erfahrung zeigt ausserdem, dass durchaus Verhandlungsspielraum bei einem Aufhebungsvertrag besteht.

Vorteil und Nachteil des Statusfeststellungsverfahrens

Auftraggeber gehen aus Angst immer mehr dazu über, die Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens zu verlangen. Tatsächlich kann ein Statusfeststellungsverfahren Sinn machen, aber nur wenn es rechtzeitig eingeleitet und sorgfältig vorbereitet wird. Das Risiko der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung, also Scheinselbständigkeit, ist hoch. Die DRV hat in einem Fall aus der Praxis selbst dann eine abhängige Beschäftigung eines Ingenieurs festgestellt, der bei einem großen Automobilhersteller gegen ein erfolgsabhängiges Honorar, ohne Präsenzpflicht und unter Einsatz einer eigenen komplexen Software Optimierungsvorschläge für die Produktion erarbeitet hat.

Für Selbständige, die sich scheinselbständig fühlen und ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis erreichen wollen, ist das Statusfeststellungsverfahren dagegen eine kostengünstige Möglichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel einer sozialversicherten Beschäftigung erreicht wird.

 
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl / Köln / Berlin

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zum Thema Scheinselbständigkeit