Die Scheinselbständigkeit von Kurierdienstfahrern und Paketdienstfahrern im Bereich der KEP-Dienste (Kurier-Express-Paket-Dienst) war u.a. der Auslöser der Scheinselbständigkeitsdebatte in den 90er Jahren, die schliesslich in die 1999 erlassenen und bis 2003 zweimal geänderten gesetzlichen Vermutungsregelungen zur Scheinselbstständigkeit führte.
Die Bewertung ist stets eine Frage des Einzelfalls, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht sind nicht einheitlich zu betrachten, die Tendenz der Rechtsprechung scheint in Richtung Scheinselbständigkeit für den Regelfall zu weisen:
Fahrer des Paketdienstes German Parcel sind keine selbständigen Unternehmer, sondern abhängig Beschäftigte. Sie unterliegen daher der Sozialversicherungspflicht.
Hessisches Landessozialgericht vom 19.10.2006 – Aktenzeichen L 8/14 KR 1188/03
Zur Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbstständiger Tätigkeit bei Personen, die im Bereich medizinischer Labordiagnostik Transporte durchführen (Sozialversicherungspflichtigkeit bejaht). Dem Senat erscheint eine Übertragung der Wertungen der §§ 425 ff HGB (Frachtführer) auf das Sozialversicherungsrecht grundsätzlich zweifelhaft.
Bundessozialgericht vom 22.06.2005 – Aktenzeichen B 12 KR 28/03 R
Kuriedienstfahrer sind wie Frachtführer im Regelfall sozialversicherungsfrei.
SG Lüneburg vom 10.11.2004 – Aktenzeichen S 14 RA 219/00
„Scheinselbständigkeit“ von Kurierdienstfahrern bejaht.
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht vom 20.11.2001 Aktenzeichen L 1 KR 42/01
Ein Kurierdienstfahrer, der allein entscheidet, ob, wann und in welchem Umfang er tätig werden will, und für ausgeführte Frachtaufträge das volle vom Auftraggeber zu leistende Entgelt erhält, ist kein Arbeitnehmer des Unternehmens, das die Frachtaufträge annimmt und an die Kurierdienstfahrer weitergibt.
BAG, Urteil vom 27.6.2001 – Aktenzeichen 5 AZR 561/99
Nach den Urteilsfeststellungen beschäftigte der Angeklagte in der Zeit von November 2001 bis Januar 2003 einen Fahrer in seinem Kurierdienst, für den er trotz wiederholter Mahnungen der Kasse und Androhungen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die monatlichen Sozialversicherungsbeiträge für März 2002 bis Januar 2003, mit Ausnahme der Monate Juni, Juli und September 2002, nicht zahlte. Der jeweilige Arbeitnehmeranteil betrug 151, 86 € bzw. 97,44 € für Januar 2003.
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266 a StGB (Sozialversicherungsbetrug) in elf Fällen sowie wegen Betrugs nach § 263 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Das Landgericht bestätigte dies, während das OLG Koblenz das Urteil aufhob (u.a. weil der Beschuldigte die Sozialversicherungsbeträge wegen Zahlungsunfähigkeit mglw. gar nicht zahlen konnte) und an das Landgericht zurückverwies.
OLG Koblenz vom 30.05.2007 – Aktenzeichen: 1 Ss 127/07
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Interviews zum Thema Scheinselbständigkeit:
(1) Computerwoche vom 04.08.2014: Verunsicherung im Markt I Scheinselbständig: IT-Freiberufler im Visier der Rentenversicherung? von Andrea König (Autor) mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser [21]
(2) Verbraucherportal Biallo vom 05.12.2011: Selbstständig im Nebenberuf – Tipps und Fallstricke. Ein Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser [22]
(3) Lohn und GehaltsPROFI aktuell 2/2011: Sonderausgabe Scheinselbständigkeit: Verstärkte Prüfungen [23]. Beiträge von Chefredakteur Lutz Schumann und Rechtsanwalt Michael W. Felser.
(4) Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ) 2008/40 (Seite 15): Selbständig oder nur zum Schein. Urteil zur Selbstständigkeit verunsichert das Gastgewerbe. Aber Vorsicht: „Die Feststellung ist keineswegs rechtskräftig“, warnt Michael W. Felser, Rechtsanwalt aus Brühl. Ein Beitrag von Norbert Sass mit Interview von Rechtsanwalt Felser. [24]
(5) „BKK Zollern-Alb Business“ Heft 2 2002 (Seite 6/7): Scheinselbständigkeit – programmierter Ruin. Ein Beitrag von Jürgen Ponath mit Interview Rechtsanwalt Felser.[25]
(6) Financial Times Deutschland vom 27.6.2000: „Rentenkasse versperrt Selbstständigen die Flucht. Für Selbstständige in Deutschland wird es schwerer, sich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu entziehen.“ Ein Beitrag von Margarethe Heckel mit Zitaten aus einem Interview mit Rechtsanwalt Felser [26]