BSG: Aufwandsentschädigung im Ehrenamt sozialversicherungspflichtig

Scheinselbständigkeit bei der Feuerwehr: Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 15.7.2009 – B 12 KR 1/09 R) hat gestern entschieden, dass ehrenamtliche Führungskräfte der freiwilligen Feuerwehren wie Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig sind und den Landkreis Kulmbach zu einer Nachzahlung in Höhe von fast 30.000 Euro verpflichtet.Das Urteil ist entgegen der Wahrnehmung in den Medien keinesfalls überraschend, denn das Bundessozialgericht hatte bereits 2006 eine entsprechendes Urteil gefällt. Bereits 2006 hatte das Bundessozialgericht eine Sozialversicherungspflichtigkeit ehrenamtlicher Kreisbrandräte dann gesehen, wenn sie allgemeine Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten. Das Bayerische Landessozialgericht, dessen Entscheidung vom Bundessozialgericht jetzt bestätigt wurde, hatte sich danach der Rechtsprechung des BSG in dieser Frage angeschlossen. Das Bundessozialgericht hatte zuvor wiederholt entschieden, dass Ehrenbeamte in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, wenn sie – über Repräsentationsaufgaben hinaus – dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsfunktionen auszuüben haben. So hat das Bundessozialgericht die ehrenamtliche Tätigkeit eines Bürgermeisters der Sozialversicherungspflicht unterworfen (BSG, Urteil vom 25.01.2006 – B 12 KR 12/05 R)

Die Vorinstanz hatte deswegen im aktuellen Fall deutlich gemacht:

„Die Annahme einer abhängigen Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV wird weder durch das Bestehen eines Ehrenamtes noch einer kommunalen oder landesrechtlichen Organstellung gehindert. Vielmehr ist nach der Konzeption der Sozialgesetzbücher zur Versicherungspflicht zu unterscheiden zwischen den beiden Kategorien abhängige Leistung von Diensten einerseits und selbständige Tätigkeit andererseits. Eine Unterscheidung nach einer Beschäftigung in öffentlichen oder privaten Diensten findet nicht statt; vielmehr spricht die ausdrückliche Befreiung von der Versicherungspflicht für Beamte in den einzelnen Versicherungszweigen (insbesondere gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sowie § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) dafür, dass öffentlich Bedienstete bzw. mit einem Amt ausgestattete Personen grundsätzlich einem Beschäftigungsverhältnis zuzuordnen sind.“

BayLSG vom 25.11.2008 – L 5 KR 32/07  (Urteil im Volltext)

Nach Ansicht der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sind Aufwandsentschädigungen für ein Ehrenamt teilweise sozialversicherungspflichtig. Nachdem bereits Übungsleiterinnen in Sportvereinen sozialversicherungspflichtig wurden, sind nun von der aktuellen Diskussion neben den Feuerwehrleuten auch ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker betroffen.

Hintergrundmaterial:

(1) Volltext des Urteils des BayLSG (BSG Urteil liegt erst in Wochen oder Monaten vor)
bsg_15072009_feuerwehr_ehrenamtliche_taetigkeit_sozialversicherungspflicht.pdf

(2) Erläuterungen der Zeitschrift Verbändereport  06/02, erschienen am 20.07.2002 zur Sozialversicherungspflicht beim Ehrenamt

(3) Terminsmitteilung des Bundessozialgerichts:

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 15. Juli 2009 über vier Revisionen zur Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

1) 10.30 Uhr – B 12 KR 1/09 R – Landkreis Kulmbach ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
10 Beigeladene

Umstritten ist, ob die ehrenamtlich tätigen Führungskräfte der freiwilligen Feuerwehren eines Landkreises in Bayern als abhängig Beschäftigte versicherungspflichtig sind.

Der beklagte Rentenversicherungsträger forderte von dem beklagten Landkreis nach einer Betriebsprüfung ua für die für den Landkreis tätigen Kreisbrandmeister und Kreisbrandinspektoren sowie einen Kreisbrandrat Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 29.555,66 Euro nach. Die für den Kläger Tätigen seien versicherungspflichtig beschäftigt und die gezahlten Aufwandsentschädigungen nach Abzug von Freibeträgen beitragspflichtig. Der Beklagte hat Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, die betroffenen Feuerwehrführungskräfte stünden als ehrenamtlich für den Freistaat Bayern im Rahmen landesrechtlicher Sondernormen Tätige nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Das SG hat die Beitragsnachforderung aufgehoben. Das LSG hat im Berufungsverfahren mehrere Krankenkassen und andere Versicherungsträger beigeladen. Mit Beschluss hat es außerdem die Beiladung der betroffenen Feuerwehrführungskräfte von deren fristgerechten Antrag auf Beiladung bis zum 30.11.2007 abhängig gemacht. Dieser Beschluss wurde zwei überregionalen Zeitungen und der Bundesanzeigerverlagsgesellschaft mbH zur Veröffentlichung übersandt. Ein Antrag auf Beiladung wurde nicht gestellt. Sodann hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragspflicht von bayerischen ehrenamtlichen Feuerwehrführungskräften von einer Beschäftigung auszugehen sei. Der Senat schließe sich insoweit der Rechtsprechung des BSG an.

Der Kläger rügt mit seiner Revision, dass das LSG die Tätigkeit der Feuerwehrführungskräfte nicht umfassend geprüft habe. Diese seien als ehrenamtliche Kräfte nicht abhängig beschäftigt.

SG Bayreuth – S 6 KR 5037/05 –
Bayerisches LSG – L 5 KR 32/07 –

Quelle: Terminsmitteilung des Bundessozialgerichts

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Experte bei Scheinselbstaendigkeit.de


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Die Vorinstanz hatte deswegen im aktuellen Fall deutlich gemacht:

„Die Annahme einer abhängigen Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV wird weder durch das Bestehen eines Ehrenamtes noch einer kommunalen oder landesrechtlichen Organstellung gehindert. Vielmehr ist nach der Konzeption der Sozialgesetzbücher zur Versicherungspflicht zu unterscheiden zwischen den beiden Kategorien abhängige Leistung von Diensten einerseits und selbständige Tätigkeit andererseits. Eine Unterscheidung nach einer Beschäftigung in öffentlichen oder privaten Diensten findet nicht statt; vielmehr spricht die ausdrückliche Befreiung von der Versicherungspflicht für Beamte in den einzelnen Versicherungszweigen (insbesondere gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sowie § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) dafür, dass öffentlich Bedienstete bzw. mit einem Amt ausgestattete Personen grundsätzlich einem Beschäftigungsverhältnis zuzuordnen sind.“

BayLSG vom 25.11.2008 – L 5 KR 32/07  (Urteil im Volltext)

Nach Ansicht der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sind Aufwandsentschädigungen für ein Ehrenamt teilweise sozialversicherungspflichtig. Nachdem bereits Übungsleiterinnen in Sportvereinen sozialversicherungspflichtig wurden, sind nun von der aktuellen Diskussion neben den Feuerwehrleuten auch ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker betroffen.

Hintergrundmaterial:

(1) Volltext des Urteils des BayLSG (BSG Urteil liegt erst in Wochen oder Monaten vor)
bsg_15072009_feuerwehr_ehrenamtliche_taetigkeit_sozialversicherungspflicht.pdf

(2) Erläuterungen der Zeitschrift Verbändereport  06/02, erschienen am 20.07.2002 zur Sozialversicherungspflicht beim Ehrenamt

(3) Terminsmitteilung des Bundessozialgerichts:

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 15. Juli 2009 über vier Revisionen zur Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

1) 10.30 Uhr – B 12 KR 1/09 R – Landkreis Kulmbach ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
10 Beigeladene

Umstritten ist, ob die ehrenamtlich tätigen Führungskräfte der freiwilligen Feuerwehren eines Landkreises in Bayern als abhängig Beschäftigte versicherungspflichtig sind.

Der beklagte Rentenversicherungsträger forderte von dem beklagten Landkreis nach einer Betriebsprüfung ua für die für den Landkreis tätigen Kreisbrandmeister und Kreisbrandinspektoren sowie einen Kreisbrandrat Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 29.555,66 Euro nach. Die für den Kläger Tätigen seien versicherungspflichtig beschäftigt und die gezahlten Aufwandsentschädigungen nach Abzug von Freibeträgen beitragspflichtig. Der Beklagte hat Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, die betroffenen Feuerwehrführungskräfte stünden als ehrenamtlich für den Freistaat Bayern im Rahmen landesrechtlicher Sondernormen Tätige nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Das SG hat die Beitragsnachforderung aufgehoben. Das LSG hat im Berufungsverfahren mehrere Krankenkassen und andere Versicherungsträger beigeladen. Mit Beschluss hat es außerdem die Beiladung der betroffenen Feuerwehrführungskräfte von deren fristgerechten Antrag auf Beiladung bis zum 30.11.2007 abhängig gemacht. Dieser Beschluss wurde zwei überregionalen Zeitungen und der Bundesanzeigerverlagsgesellschaft mbH zur Veröffentlichung übersandt. Ein Antrag auf Beiladung wurde nicht gestellt. Sodann hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragspflicht von bayerischen ehrenamtlichen Feuerwehrführungskräften von einer Beschäftigung auszugehen sei. Der Senat schließe sich insoweit der Rechtsprechung des BSG an.

Der Kläger rügt mit seiner Revision, dass das LSG die Tätigkeit der Feuerwehrführungskräfte nicht umfassend geprüft habe. Diese seien als ehrenamtliche Kräfte nicht abhängig beschäftigt.

SG Bayreuth – S 6 KR 5037/05 –
Bayerisches LSG – L 5 KR 32/07 –

Quelle: Terminsmitteilung des Bundessozialgerichts

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
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