Scheinselbstständiger oder arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger: Richtig Vorgehen und Risiken vermeiden!

Neulich besuchte mich ein „Selbstständiger“ aus Frankfurt in Begleitung seines Bruders, völlig aufgelöst, weil sein einziger Auftraggeber die Zusammenarbeit beenden möchte, weil er glaubt, sein Auftragnehmer sei ein „Scheinselbstständiger“. Seinen Wunsch verdeutlichte der bisherige Auftraggeber, indem er meinem Mandanten von einem Tag keine Aufträge mehr gibt.

Nun kann ich das Verhalten des Auftraggebers nachvollziehen, versucht dieser doch nur nach jahrelangem Handeln nach dem Motto: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“, die Reissleine zu ziehen, ein offensichtlich sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu beenden und damit zukünftige Risiken aus § 7 SGB IV, § 28 e Abs. 1 SGB IV und vor allem § 28 g SGB IV zu vermeiden. Der Arbeitgeber haftet nämlich nach § 28 e Abs. 1 SGB IV für den rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeitrag und kann nach § 28 g SGB IV vom Arbeitnehmeranteil allenfalls einen kleinen Teilbetrag von dem Beschäftigten durch Regress erstattet bekommen.

Mein Mandant hat nun das Problem, dass er erstens keine Geld mehr verdient, zweitens kein Arbeitslosengeld bekommt und drittens auch noch – falls er doch kein Scheinselbstständiger sein sollte – die „Verhaftung“ als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger im Sinne des § 2 Nr. 9 SGB VI durch die DRV droht („wehe wenn sie losgelassen“). Bedeutet 4 Jahre rückwirkend Arbeitgeberanteil und Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung nachzahlen. Macht mehr als 80 % eines Jahreshonorarumsatzes (!) aus. Viertens ist er natürlich auch nicht rechtsschutzversichert („Der kluge Mann baut vor“). Da wäre mancher auch völlig aufgelöst.

Da heisst es dann „Ruhe bewahren“ und Situation analysieren.

Mandant meint, er sei ein Scheinselbstständiger. Kann sein, kann aber auch nicht sein, erfordert nämlich eine gründliche Prüfung, möglicherweise einer Beweisaufnahme über streitige Tatsachen und wir befinden uns zur Zeit in der Erstberatung. Glaubt man dem Mandanten, ist er scheinselbstständig.

„Was tun, spricht Zeus“:

Gegen den „Scheinauftraggeber“ = Arbeitgeber vorgehen? Schliesslich sind auch im freien Dienstvertrag natürlich Kündigungsfristen zu beachten, allerdings knackig kurze (§ 621 BGB). Und ohne Kündigung geht es da auch nicht. Schriftform ist aber nicht vorgeschrieben. Allerdings glaubt unser Mann ja, er sei scheinselbstständig, also im Ergebnis: Arbeitnehmer. Da sähe seine Rechtsposition gleich besser aus. Kündigungsfrist nach § 622 BGB, Schriftform der Kündigung nach § 623 BGB und Kündigungsschutz nach § 1 KSchG und § 23 KSchG. Und allerallermeistens enden die Verfahren mit einer Abfindung.

Aber: Mandant hat keine Rechtsschutz. Gut, dass es Prozesskostenhilfe (PKH) gibt.

Aber aber: Wenn man sich einvernehmlich einigt, ist unwahrscheinlich, dass der Arbeitgeber sich darauf einlässt, dass für die Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis bestand. Und dann steht unser Mandant weiterhin im Risiko, von der DRV als arbeitnehmerähmlicher Selbstständiger mit den Rentenversicherungsbeiträgen für die letzten vier Jahre belegt zu werden. Gut, nicht immer prüft die DRV, aber wie die FTD berichtet, immer öfter.

Mit dem Arbeitgeber verhandeln? Ihm mitteilen, dass man beabsichtigt, den Status klären zu lassen? Solange man durch „druckvolle“ Verhandlungen nicht in Kollision mit dem Strafrecht gerät, nichts gegen einzuwenden. Aber aber, der Arbeitgeber wird sich nach den Erfahrungen des Unterzeichners nur ganz ganz selten darauf einlassen, den Status als Scheinselbstständiger rückwirkend zu begradigen, so dass das Problem des § 2 Nr. 9 SGB VI für den selbständigen Mandanten fortbesteht (siehe oben).

Anfrageverfahren bei DRV nach § 7 a SGB IV kommt eh nicht mehr in Betracht, da zu spät für die „Amnestie“ nach § 7 a Abs. 5 SGB IV. Aber man kann natürlich jederzeit eine Prüfung bei der DRV beantragen oder anregen. Schliesslich ist die gesetzliche Mechanik zwischen § 2 Nr. 9 SGB VI und § 7 SGB IV so etwas wie eine vom Gesetzgeber beabsichtige Kronzeugenregelung. Der arbeitnehmerähnliche Selbstständige wird für eine Kooperation mit der Rentenversicherungsträger dadurch belohnt, dass die Prüfer einen Zeugen haben, um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nachweisen zu können. Das ist ohne Zeugen häufig sehr schwer, weil die den Prüfern vorgelegten Verträge meist einwandfrei sind (anwaltlich geprüft) und eine Selbstständigkeit zu belegen scheinen, aber die tatsächliche Durchführung davon in Richtung „Scheinselbstständigkeit“ abweicht. Das Verpfeifen ist trotzdem nicht risikolos: Kann oder will die DRV nicht entsprechend engagiert oder erfolgreich in Richtung Scheinselbständigkeit ermitteln, bekommt sie durch die Anzeige jedenfalls Kenntnis von dem Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Selbstständigkeit. Folge: der arme „Selbständige“ ist dran. Das Risiko ist auch nicht so klein, denn die beiden Kriterien, die den arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen ausmachen, sind leicht festzustellen, die Einzelfallprüfung unter Gesamtwürdigung einer Vielzahl häufig unklarer Einzelindizien bei der Scheinselbstständigkeit dagegen schwer festzustellen.

Also: wenn man – straflos – seinen Mittäter verpfeifen will, sollte man nicht sofort zur Polizei rennen ;-). Im Falle eines (eigentlich rentenversicherungspflichtigen) arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen jedenfalls nur dann, wenn man sicher sein kann, dass man durch die Prüfung auch tatsächlich in den (risikolosen) Status des Scheinselbstständigen aufsteigen wird.

Die beste (und kostengünstigste) Lösung: Arbeitslosengeld bei der Arbeitsagentur beantragen. Arbeitslosengeld gibt es, wenn man als Scheinselbstständiger, also sozialversicherungspflichtig beschäftigt wurde und arbeitslos wird. Dafür muss keine Kündigung vorliegen, es reicht, dass der Arbeitgeber/Auftraggeber die Beschäftigung tatsächlich einstellt. Dass der Arbeitgeber/Auftraggeber keine Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abgeführt hat, spielt keine Rolle. Das Vorliegen der Anwartschaftszeit nach § 123 SGB III ist objektiv zu prüfen. Natürlich wird mancher Sachbearbeiter versuchen, den Antragsteller abzuwimmeln. Hart bleiben: Antrag stellen, Aktenzeichen geben lassen, Bescheid verlangen.

Und man kann natürlich das Statusverfahren vor dem Arbeitsgericht damit kombinieren. Man sollte der Arbeitsagentur aber nicht ungefragt mitteilen, dass man vor dem Arbeitsgericht klagt, sonst wartet die Agentur das Ergebnis des Rechtsstreits ab (hängt die Akte also auf Wiedervorlage und bearbeitet den Vorgang nicht!).

„Dem Mann kann geholfen werden“. Aber er hat es sich und uns nicht einfach gemacht.

„Ich habe das Meinige getan. Tun Sie das Ihrige“.

Schliessen Sie eine Rechtsschutzversicherung ab und gehen Sie als Selbstständiger niemals Beschäftigungsverhältnisse ohne klare vertragliche Regelungen ein, die ihnen ein Mindestmass an Planungssicherheit gewähren.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser

Neulich besuchte mich ein „Selbstständiger“ aus Frankfurt in Begleitung seines Bruders, völlig aufgelöst, weil sein einziger Auftraggeber die Zusammenarbeit beenden möchte, weil er glaubt, sein Auftragnehmer sei ein „Scheinselbstständiger“. Seinen Wunsch verdeutlichte der bisherige Auftraggeber, indem er meinem Mandanten von einem Tag keine Aufträge mehr gibt.

Nun kann ich das Verhalten des Auftraggebers nachvollziehen, versucht dieser doch nur nach jahrelangem Handeln nach dem Motto: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“, die Reissleine zu ziehen, ein offensichtlich sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu beenden und damit zukünftige Risiken aus § 7 SGB IV, § 28 e Abs. 1 SGB IV und vor allem § 28 g SGB IV zu vermeiden. Der Arbeitgeber haftet nämlich nach § 28 e Abs. 1 SGB IV für den rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeitrag und kann nach § 28 g SGB IV vom Arbeitnehmeranteil allenfalls einen kleinen Teilbetrag von dem Beschäftigten durch Regress erstattet bekommen.

Mein Mandant hat nun das Problem, dass er erstens keine Geld mehr verdient, zweitens kein Arbeitslosengeld bekommt und drittens auch noch – falls er doch kein Scheinselbstständiger sein sollte – die „Verhaftung“ als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger im Sinne des § 2 Nr. 9 SGB VI durch die DRV droht („wehe wenn sie losgelassen“). Bedeutet 4 Jahre rückwirkend Arbeitgeberanteil und Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung nachzahlen. Macht mehr als 80 % eines Jahreshonorarumsatzes (!) aus. Viertens ist er natürlich auch nicht rechtsschutzversichert („Der kluge Mann baut vor“). Da wäre mancher auch völlig aufgelöst.

Da heisst es dann „Ruhe bewahren“ und Situation analysieren.

Mandant meint, er sei ein Scheinselbstständiger. Kann sein, kann aber auch nicht sein, erfordert nämlich eine gründliche Prüfung, möglicherweise einer Beweisaufnahme über streitige Tatsachen und wir befinden uns zur Zeit in der Erstberatung. Glaubt man dem Mandanten, ist er scheinselbstständig.

„Was tun, spricht Zeus“:

Gegen den „Scheinauftraggeber“ = Arbeitgeber vorgehen? Schliesslich sind auch im freien Dienstvertrag natürlich Kündigungsfristen zu beachten, allerdings knackig kurze (§ 621 BGB). Und ohne Kündigung geht es da auch nicht. Schriftform ist aber nicht vorgeschrieben. Allerdings glaubt unser Mann ja, er sei scheinselbstständig, also im Ergebnis: Arbeitnehmer. Da sähe seine Rechtsposition gleich besser aus. Kündigungsfrist nach § 622 BGB, Schriftform der Kündigung nach § 623 BGB und Kündigungsschutz nach § 1 KSchG und § 23 KSchG. Und allerallermeistens enden die Verfahren mit einer Abfindung.

Aber: Mandant hat keine Rechtsschutz. Gut, dass es Prozesskostenhilfe (PKH) gibt.

Aber aber: Wenn man sich einvernehmlich einigt, ist unwahrscheinlich, dass der Arbeitgeber sich darauf einlässt, dass für die Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis bestand. Und dann steht unser Mandant weiterhin im Risiko, von der DRV als arbeitnehmerähmlicher Selbstständiger mit den Rentenversicherungsbeiträgen für die letzten vier Jahre belegt zu werden. Gut, nicht immer prüft die DRV, aber wie die FTD berichtet, immer öfter.

Mit dem Arbeitgeber verhandeln? Ihm mitteilen, dass man beabsichtigt, den Status klären zu lassen? Solange man durch „druckvolle“ Verhandlungen nicht in Kollision mit dem Strafrecht gerät, nichts gegen einzuwenden. Aber aber, der Arbeitgeber wird sich nach den Erfahrungen des Unterzeichners nur ganz ganz selten darauf einlassen, den Status als Scheinselbstständiger rückwirkend zu begradigen, so dass das Problem des § 2 Nr. 9 SGB VI für den selbständigen Mandanten fortbesteht (siehe oben).

Anfrageverfahren bei DRV nach § 7 a SGB IV kommt eh nicht mehr in Betracht, da zu spät für die „Amnestie“ nach § 7 a Abs. 5 SGB IV. Aber man kann natürlich jederzeit eine Prüfung bei der DRV beantragen oder anregen. Schliesslich ist die gesetzliche Mechanik zwischen § 2 Nr. 9 SGB VI und § 7 SGB IV so etwas wie eine vom Gesetzgeber beabsichtige Kronzeugenregelung. Der arbeitnehmerähnliche Selbstständige wird für eine Kooperation mit der Rentenversicherungsträger dadurch belohnt, dass die Prüfer einen Zeugen haben, um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nachweisen zu können. Das ist ohne Zeugen häufig sehr schwer, weil die den Prüfern vorgelegten Verträge meist einwandfrei sind (anwaltlich geprüft) und eine Selbstständigkeit zu belegen scheinen, aber die tatsächliche Durchführung davon in Richtung „Scheinselbstständigkeit“ abweicht. Das Verpfeifen ist trotzdem nicht risikolos: Kann oder will die DRV nicht entsprechend engagiert oder erfolgreich in Richtung Scheinselbständigkeit ermitteln, bekommt sie durch die Anzeige jedenfalls Kenntnis von dem Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Selbstständigkeit. Folge: der arme „Selbständige“ ist dran. Das Risiko ist auch nicht so klein, denn die beiden Kriterien, die den arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen ausmachen, sind leicht festzustellen, die Einzelfallprüfung unter Gesamtwürdigung einer Vielzahl häufig unklarer Einzelindizien bei der Scheinselbstständigkeit dagegen schwer festzustellen.

Also: wenn man – straflos – seinen Mittäter verpfeifen will, sollte man nicht sofort zur Polizei rennen ;-). Im Falle eines (eigentlich rentenversicherungspflichtigen) arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen jedenfalls nur dann, wenn man sicher sein kann, dass man durch die Prüfung auch tatsächlich in den (risikolosen) Status des Scheinselbstständigen aufsteigen wird.

Die beste (und kostengünstigste) Lösung: Arbeitslosengeld bei der Arbeitsagentur beantragen. Arbeitslosengeld gibt es, wenn man als Scheinselbstständiger, also sozialversicherungspflichtig beschäftigt wurde und arbeitslos wird. Dafür muss keine Kündigung vorliegen, es reicht, dass der Arbeitgeber/Auftraggeber die Beschäftigung tatsächlich einstellt. Dass der Arbeitgeber/Auftraggeber keine Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abgeführt hat, spielt keine Rolle. Das Vorliegen der Anwartschaftszeit nach § 123 SGB III ist objektiv zu prüfen. Natürlich wird mancher Sachbearbeiter versuchen, den Antragsteller abzuwimmeln. Hart bleiben: Antrag stellen, Aktenzeichen geben lassen, Bescheid verlangen.

Und man kann natürlich das Statusverfahren vor dem Arbeitsgericht damit kombinieren. Man sollte der Arbeitsagentur aber nicht ungefragt mitteilen, dass man vor dem Arbeitsgericht klagt, sonst wartet die Agentur das Ergebnis des Rechtsstreits ab (hängt die Akte also auf Wiedervorlage und bearbeitet den Vorgang nicht!).

„Dem Mann kann geholfen werden“. Aber er hat es sich und uns nicht einfach gemacht.

„Ich habe das Meinige getan. Tun Sie das Ihrige“.

Schliessen Sie eine Rechtsschutzversicherung ab und gehen Sie als Selbstständiger niemals Beschäftigungsverhältnisse ohne klare vertragliche Regelungen ein, die ihnen ein Mindestmass an Planungssicherheit gewähren.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser