Scheinselbstständigkeit kann sich lohnen, aber nur für den vermeintlich selbständigen Auftragnehmer. Scheinselbstständigkeit ist für den (Schein-)Auftraggeber eine teure Sache, die nicht selten in der Insolvenz endet. Jedenfalls sind fünf- bis sechsstellige Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung Bund bei Scheinselbstständigkeit eher die Regel als die Ausnahme. Festgestellt wird die Scheinselbstständigkeit meist bei einer Betriebsprüfung, was den zusätzlichen Nachteil mit sich bringt, dass die Forderung der DRV sofort fällig und auch sofort vollstreckbar ist. Dem Auftraggeber droht dann auch noch, dass er die Einkommenssteuer an das Finanzamt abführen muss (selbst wenn der Selbstständige bzw. Scheinselbstständige entsprechende Erklärungen abgegeben und auch die festgesetzte Steuer entrichtet hat); ausserdem muss er oft die vom Scheinselbstständigen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an das Finanzamt erstatten.
Der Scheinselbstständige darf dafür mit Erstattungszahlungen der gesetzlichen Krankenkasse bei freiwilliger Versicherung oder Nachzahlungen des Arbeitgebers beim privaten Krankenkassenbeitrag (Zuschuss) rechnen. Das Finanzamt erstattet ihm nicht selten die gezahlte Umsatzsteuer und auch die Einkommenssteuer, jedenfalls dann, wenn beide Steuern der Auftraggeber an das Finanzamt abgeführt hat. Einzelne Scheinselbstständige dürfen dann mit einem unverhofften kleinen Lottogewinn rechnen, wenn sie keinen Fehler begehen (zB Aufhebungsverträge unterzeichnen).
Der Auftraggeger kann zwar versuchen, die Steuern beim um die Einkommenssteuererstattung und Umsatzsteuererstattung bereicherten Scheinselbstständigen zurückzufordern, was aber nicht ganz einfach ist. Zudem haben sich oft die Auftraggeber selbst die Hände gebunden, weil sie schlecht beraten sind. Der Scheinselbstständige muss allenfalls mit einer Rückabwicklung in arbeitsrechtlicher Hinsicht rechnen. Die Hürden dafür sind allerdings nicht niedrig. Daher ist dieser Fall, vom Rundfunkanstalten einmal abgesehen, auch eher selten.
Scheinselbstständigkeit kann sich lohnen, aber nur für den Schein-Selbstständigen.
Für die Auftraggeber bleibt oft nichts anders als den Steuerberater in Regreß zu nehmen, der in der Tat nicht selten durch eine fehlerhafte Einschätzung der wahre Versursacher der Misere ist.
Mehr Informationen finden Sie in meinem Blogbeitrag „13 Rechtsirrtümer bei Scheinselbständigkeit“ und dem Rechtslexikon unter dem Stichwort „Scheinselbständigkeit„.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
spezialisiert auf das Querschnittsgebiet Scheinselbständigkeit
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Köln und Brühl
Der Autor wird als Arbeitsrechtsexperte im WDR und von Bild.de regelmäßig interviewt und zitiert. Daneben wird Rechtsanwalt Felser in Beiträgen u.a. in der Süddeutschen Zeitung, Frankfurter Allgemeinen Zeitung F.A.Z, WELT, Capital, Focus und Spiegel/Managermagazin sowie zahlreichen anderen Zeitschriften zitiert.